Brittas Rede in der Hamburger Bürgerschaft vom 29. Juni 2022 zum Bericht des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses über die Drucksache 22/7050: Umsetzung des Bundesprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ für die Jahre 2021 und 2022 durch die Sozialbehörde
„Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Resilienz ist ein Begriff aus der Psychologie und Pädagogik und lässt sich mit „seelischer Widerstandskraft“ übersetzen. Es beschreibt die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen erfolgreich zu überstehen. Dabei geht es nicht um eine angeborene Eigenschaft, sondern um einen kontextabhängigen Prozess. Das bedeutet, man kann schützende Faktoren entwickeln und damit die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen verstärken. Im Resilienzkonzept werden Risiko- und Schutzfaktoren betrachtet. Risikofaktoren werden als Merkmal definiert, die die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungsstörungen erhöhen.
Die Coronapandemie stellte einen erheblichen Risikofaktor für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dar.
Das wissen wir aus den inzwischen zahlreichen Studien und Erfahrungsberichten. In der Bürgerschaft haben wir mehrfach über die körperlichen und seelischen Folgen der Coronapandemie gesprochen. Dem widerspricht niemand.
Worum es mir heute geht, sind die Schutzfaktoren des Resilienzkonzeptes. Schutzfaktoren sind entwicklungsfördernde und risikomildernde Faktoren. Hierbei kann man zwischen individuellen Faktoren – etwa soziale Kompetenzen und Problemlösungsfähigkeiten von Kindern und Jugendlichen – und sozialen Faktoren unterscheiden. Die sozialen Faktoren, auch Ressourcen, finden wir im sozialen Umfeld, das heißt zum Beispiel in der Familie oder in Bildungs- und Betreuungssituationen und Institutionen. Bekannte familiäre Ressourcen sind beispielsweise ein hoher sozioökonomischer Status und ein unterstützendes familiäres Netzwerk. Ressourcen, die wir in Bildungs- und Betreuungsinstitutionen finden – und das geht über Schule und Kita hinaus – sind beispielsweise transparente Regeln, Strukturen, ein wertschätzendes Klima, positive Freundschaftsbeziehungen, bei Jugendlichen auch besonders die Peergroups, kompetente und fürsorgliche Erwachsene, Bezugs- und Betreuungspersonen.
Neben der direkten Unterstützung von Familienurlauben adressieren wir mit dem „Aufholen nach Corona“-Programm prioritär genau diese so wichtigen Resilienzfaktoren im Bereich des sozialen Umfeldes von Kindern und Jugendlichen. Die Mittel fließen zum einen in Bildungsinstitutionen, wo durch Lernprogramme eine verstärkte Sozialarbeit und in Schulen Schulsozialarbeit möglich wird, genauso wie die Sprachförderung in Kitas gestärkt wird. Wir setzen die Mittel aber auch – und das ist für mich von besonderer Bedeutung – in außerschulischen Strukturen ein. Denn gerade hier in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, in der Jugendverbandsarbeit, bei Jugendfreizeiten sowie bei den Familienferienzeiten findet so viel von der wichtigen Arbeit statt, die unseren Kindern und Jugendlichen hilft, die Coronapandemie gut zu bewältigen. Hier werden den jungen Menschen die Kompetenzen und Werkzeuge vermittelt, um in diesen herausfordernden Zeiten stark zu sein und zu bleiben. Hierbei war es wichtig und sinnvoll, dass durch die Mittel bereits etablierte, vorhandene Strukturen, Einrichtungen und Projekte verstärkt wurden, denn damit konnten wir sicherstellen, dass die Hilfe schnell bei den Kindern, Jugendlichen und Familien angekommen ist.
Dass die Mittel für die Familienfreizeiten dringend benötigt und gebraucht werden, können wir an der hohen Auslastung ablesen. Die offene Kinder- und Jugendarbeit steht für Beteiligung junger Menschen, und die ist eindeutig in der Pandemie zu kurz gekommen. Wir haben die Sicht der Kinder und Jugendlichen zu wenig berücksichtigt, und das müssen wir uns an dieser Stelle eingestehen. Daraus können wir nur lernen. Künftig müssen Kinder und Jugendliche noch viel mehr in Entscheidungsprozesse einbezogen werden – nicht über sie hinweg, sondern mit ihnen.
Durch dieses Programm haben wir einen wichtigen Grundstein gelegt, unsere Kinder und Jugendlichen dabei zu unterstützen, die Folgen der Coronapandemie selbstbestimmt und erfolgreich zu bewältigen, und ich versichere Ihnen, dass wir auch weiter mit Hochdruck daran arbeiten werden.
– Vielen Dank.“
Mehr Informationen:
- zum Bericht des Familienausschusses
- zur Drucksache der Sozialbehörde
- die ganze Debatte können Sie sich hier ansehen.